Vita – Frank Baier

Vita-frank-treppeFrank Baier (* 12. Februar 1943 bei Braunschweig – ✞ 9.4.2022 in Duisburg) war ein deutscher Volkssänger und Liedermacher, Musiker, Autor und Ingenieur, der  im Ruhrgebiet in einer Zechensiedlung lebte und arbeitete.

Der Musiker ( Gitarre, Ukulele, Mundharmonika, Quetsche, Harfe schreibt, sang und erzählte über mehr als 60 Jahre seine außergewöhnlichen Musikgeschichten. Ein besonderer Schwerpunkt lagt dabei auf  historischen und zeitgenössischen Liedern aus dem Ruhrgebiet,  literarisch wie politisch und immer wieder aktuell.

Zusammenarbeit mit madegasischen und türkischen Liedermachern /Musikern, Werkkreis-Literaten, alten Bandoneonspielern und HipHop-Rappern. Singender und schreibender “Regionalist” – Frank war ein Mittler zwischen den Kulturen und Generationen.

Diverse > CDs -Schallplatten – Bücher – Liederbuch Ruhr, wurde auf dem
“Folk-Festival Rudolstadt 2002” zum “Mr. Ruhrgebiet”  geadelt.

Die Stationen in aller Kürze

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Kindheit und Jugend

Frank Baier zog 1949 mit Mutter und Schwester ins Ruhrgebiet und wuchs in Essen-Frohnhausen auf. Bereits als Vierjähriger lernte er auf der Mundharmonika Melodien nachzuspielen, mit ca. elf Jahren lernte er in der Jugendbewegung und auf Tramp-Fahrten durch Europa Ukulele. Bereits hier entstand sein erstes handgeschriebenes Fahrtenliederbuch. Als Instrumente kamen später noch Gitarre, Banjo, Knopf-Akkordeon, Bandoneon und die Harfe hinzu. Ende der 50er Jahre stieg Baier – über die Beschäftigung mit Spirituals und Blues – in die rege Essener Skiffle-Szene ein. Er wurde der Front-Sänger der Saints Rambler Skifflegroup in Essen-Frohnhausen. Er absolvierte die Ausbildung zum Werkstoffprüfer in der Gießerei des…

1961-1970: Die Skiffle-Jahre

Es fing auf der Straße an, draußen unter freiem Himmel. Da entstehen eh die wichtigsten Lieder, nicht die besten unbedingt, aber die entscheidenden, gegen den Krieg, für den Frieden. Lieder, die in der Bewegung entstehen, Lieder, die auf der Straße geboren werden. Auch bei den Ostermärschen in der BRD seit 1961. 1962 waren es bereits 30 000 Menschen, die Ostern auf den Straßen marschieren. Sie sangen Lieder gegen die Bombe, mit der Gitarre vor dem Bauch. Die Banjos schrappten durchdringend, Mundharmonikas wurden aus der Tasche gezogen, hier und da ein Rhythmus- oder Percussionsteil dazwischen. Es “groovte” sofort los. Es war…

Kattong und Knast.Konzerte

Wegweisend waren für Frank Baier die Vertonungen von Rother-Texten durch den Liedermacher Bernd Witthüser. Einige dieser Lieder von Witthüser sang Baier in seinen ersten Konzerten. Um 1970/71 gründete Baier gemeinsam mit Rolf Hucklenbruch und Harald Golbach die Gruppe Kattong, die sich bald mit politischen Texten auf zahlreichen Konzerten in Justizvollzugsanstalten und Fürsorgeheimen profilierte. Kattong spielte dabei auch mehrfach im Vorprogramm der West-Berliner Gruppe Ton Steine Scherben. 1971 erschienen erstmals Baiers Lieder auf der Anthologie-LP Gitarre vorm Bauch. Im selben Jahr folgte die Single Lieder vor und hinter Gittern. 1972 erschienen weitere Lieder auf der ersten Kattong-LP Stiehl dem Volk die…

Baier-Westrupp und die Walter h. c. Meier Pumpe

1973 formierte Baier gemeinsam mit dem Musiker Walter Westrupp, den er noch von der Skiffle-Szene der frühen 60er Jahre her kannte, das Duo BaierWestrupp. Beide Musiker komponierten und schrieben Texte und spielten während ihrer Auftritte mehrere Instrumente. Sie steuerten u. a. Kinderlieder zu Fernsehserien wie Sesamstraße und Die Sendung mit der Maus bei, daneben auch Musik zur TV-Reihe Familie Zisch. Parallel begann Baier als Gastmusiker in Westrupps Skiffle-Formation Walter h.c. Meier Gang eine elektrisch verstärkte Ukulele zu spielen. Daraus ging schließlich das Ensemble Walter h.c. Meier Pumpe hervor, das sich bis 1976 in der gesamten Bundesrepublik mit Skiffle-Musik und deutschen…

Frank Baier und die Rheinpreußensiedlung (1975-1989)

Er hat in diesem Haus gewohnt und mußte einfach gehen was hat der alte Mann geflucht ich habe nach dem Grund gesucht warum er sauer war Opa Weber meinte : das ist hart, Mann….” aus dem Lied: “Opa Weber” für die Sesamstraße Das waren meine ersten Worte 1975, die ich fand, um ein Lied über “Rheinpreußen” zu schreiben. Es wurde ein Kinderlied für die “Sesamstraße” über eine “Seuche”, die im Ruhrgebiet in den 60er-Jahren grassierte: “Überall griffen Bauspekulanten zu, um mit “großzügigen Sanierungen” Profite machen zu können. In der Regel bedeutete das den Abriß der Siedlungen und den Neubau von…

ab 1976: Der Ruhrpottbarde und die Solidarität

1970er und 1980er Jahre: Engagement im Ruhrgebiet: Mitte der 1970er Jahre zog Frank Baier in den Duisburger Arbeiter-Stadtteil Bruckhausen. In Duisburg-Bruckhausen begann Baier auch seine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Bergarbeiter-Bewegung, ihrer Literatur und ihren Liedern. Daraus entwickelte sich ein jahrzehntelanges Engagement, dem Baier die Bezeichnung „Pottpoet“, „Ruhrpottbarde“ und später „Mister Ruhrgebiet“ verdankt. Frank Baier schrieb mehrere Sammelband-Beiträge über Arbeiter- und Bergmannslieder des Ruhrgebiets – u. a. für eine Dokumentation der 3. Duisburger Akzente 1979 (Lieder und Leute vor Ort). Er sammelte historische Musikaufzeichnungen und Texte, interviewte noch lebende Arbeitersänger und zeichnete ihre Darbietungen auf Tonträger auf. Baier vertonte einige…

1982: Ruhrpott international (Madagaskar-Türkei)

1982/83 unternahm Baier eine Konzert-Tournee auf Einladung der deutsch-madegassischen Kulturkooperative Cercle Germano-Malgache (CGM) nach Madagaskar und kooperierte dort mit dem Liedermacher Tselonia und der Gruppe Rossy. Bei Konzerten mit einem 4-stündigen Liederprogramm mit deutsch-französisch-madegassischen Übersetzungen der Lieder erreichten sie mehrere Tausend Zuhörer. Mit ihrem dreisprachigen Lied die Liebe – der Mensch – die Revolution eröffnete der Sender Radio Television Madagascar (RTM) über mehrere Monate hinweg täglich sein morgendliches Frühprogramm. Seither wird das Instrument Ukulele auf Madagaskar besonders mit Frank Baier in Verbindung gebracht. 1984 entwickelte Baier gemeinsam mit dem türkischen Komponisten und Liederforscher Mesut Cobancaoglu ein deutsch-türkisches Liederprojekt, das beide…

1990: Intermezzo mit Harfe und Oberton

Frank Baier unterbrach 1988 seine Liedermacheraktivität und konzentrierte sich bis 1995 im Obertonchor Düsseldorf auf den Gesang mit Obertönen. Hierbei lernte er den Bass-Sänger Frank Sievert, der ihn bald darauf im Bau von Harfen unterrichtete. In sein Instrumentarium nahm Baier zwischenzeitlich zusätzlich 1991 eine selbstgebaute Harfe auf; sie war unter Anleitung Frank Sieverts entstanden. Ab 1996/97 studierte Baier sechs Semester die keltische Harfe an der Niederrheinischen Musikschule in Duisburg und begann bald, auf der Harfe eigene Stücke zu komponieren (u. a. Das Lied der Leier).

1997-2002: Harfenunterricht und Comeback in Rudolstadt

Ab 1996/97 lernte Frank keltische Harfe an der Musikschule, bald darauf komponierte er erste Stücke unter anderem zu Texten von Hugo Ernst Käufer. Zu einer Initialzündung geriet sein Gastspiel beim Tanz- und Folkfest Rudolstadt 2002 im Rahmen eines dortigen Regionalschwerpunktes Fokus Regional Ruhrgebiet: in Gestalt einer Verbindung traditioneller Ruhrgebietslieder mit dem Rap. Aus diesem Konzert ergab sich u. a. eine Zusammenarbeit zwischen Baier und der Rap-Formation Sons of Gastarbeita mit späteren Auftritten Baier & Bänd oder der Alte und die Rapper.

2003: Schallplattenpreis mit “Die Grenzgänger”

Ende der 70er hatte Frank Baier Interviews mit alten Bergleuten auf Cassette aufgenommen. Vieles davon war bereits in dem Buch “Arbeiterlieder aus dem Ruhrgebiet” veröffentlicht worden. Ende 2003/ Anfang 2004 beginnt Michael Zachcial mit der Neu-Sichtung dieses Materials und dem Durchhören der Interviews, wobei er die eine oder andere Entdeckung macht. Gemeinsam gehen Frank und Michael dann an die Planung des 2006 veröffentlichten Albums “Märzrevolution 1920”. Das Album erhält den Preis der deutschen Schallplattenkritik und wird CD des Monats in der Liederbestenliste. Der abschließende “März Rap 1920”, den Frank gemeinsam mit den “Sons of Gastarbeita” aufgenommen hat und der das…

2010: Kohlengräberland

Im März 2010 ist Frank Baier erneut auf Tournee mit den “Grenzgängern” im Ruhrgebiet, das Publikum feiert die gemeinsamen Konzerte und applaudiert zum Ende der Konzerte stehend. Die neue Besetzung der Grenzgänger mit Annette Rettich am Cello und Felix Kroll am Akkordeon bringt einen neuen Klang mit sich, der wunderbar mit Franks Ukulele und rauher Stimme harmoniert. Im gleichen Jahr trägt Frank zwei Liedern bei zu den “Mitternachtsgesängen”: Die verlorenen Lieder des Jooschen Engelke 1918-1962.    

2012 – Der Pott singt

Seit 2008 arbeitet Frank Baier über vier Jahre hinweg an seinem nächsten Werk “Der Pott singt”. Aus seinem privaten Archiv, aus Archiven der Ruhr-Region und aus dem Deutschen Volksliedarchiv Freiburg trug er Lieder, Texte und Interviews zusammen. In diesem Zusammenhang wurde eine Auswahl aus seinen Tonaufnahmen historischer Arbeiterlieder aus dem Ruhrgebiet transkribiert. Heraus kam das über 460 Seiten starke Buch Glück auf – Liederbuch Ruhr: eine Text- und Notensammlung der bekanntesten 100 Lieder aus dem Ruhrgebiet mit Fotos aus ausgesuchten Quellen und Archiven und mit einem umfangreichen Lexikon-Teil (mit Geschichte, Geschichten und Hintergründen). Chronik ab 2012

2018 – Wat-N Theater Man

Kurz nach Baiers 75. Geburtstag im Februar 2018 erschien die CD Wat’n Theater, man – Frank Baier 2017, die Lieder aus den Jahren 1976 bis 2016 enthält und die Platz 2 der monatlichen Liederbestenliste erreichte. Im April 2018 war Baier Preisträger des Geschichtswettbewerbs Hau rein, den das Forum Geschichtskultur Ruhr und Emscher e.V. veranstaltete; die Jury würdigte Baiers langjährigen Beitrag zu Aufarbeitung, Interpretation und Aktualisierung des Ruhrgebiets-Liedgutes sowie sein kulturelles und politisches Engagement.

Stationen Frank Baier

geb. 12.2.43 – aufgewachsen im Ruhrgebiet, Essen-Frohnhausen unter Bergarbeiterkindern, geprägt durch die Lehre bei Krupp (Vatter bei Krupp, Opa bei Krupp), Essener Skiffle-Szene . “Saints Rambler Skifflegroup” mit Ukulele, voc. später die legendären Festivals auf der Burg Waldeck (`66-`69) und Songtage `68 . Schreibt ab da eigene Texte & Lieder. 1964 Gewinner des Jazz-Festivals von Dinslaken 1964 mit der „Saints Rambler Skiffle Group“, Essen 1966 Erste Einflüße durch Bernd Witthüser & Walter Westrupp, sowie den Texter Thomas Rother. Lieder aus “Wenns Arschleder zwickt” – 1971 Rotes Liebeslied gegen VEBA Orsoy – Gruppe “Kattong” mit Liedern “Vor und hinter Gittern”, Knast-Konzerte, polit….