Frank Baier und die Rheinpreußensiedlung (1975-1989)

Er hat in diesem Haus gewohnt
und mußte einfach gehen
was hat der alte Mann geflucht
ich habe nach dem Grund gesucht
warum er sauer war

Opa Weber meinte : das ist hart, Mann….”
aus dem Lied: “Opa Weber” für die Sesamstraße

Das waren meine ersten Worte 1975, die ich fand, um ein Lied über “Rheinpreußen” zu schreiben. Es wurde ein Kinderlied für die “Sesamstraße” über eine “Seuche”, die im Ruhrgebiet in den 60er-Jahren grassierte:

“Überall griffen Bauspekulanten zu, um mit “großzügigen Sanierungen” Profite machen zu können. In der Regel bedeutete das den Abriß der Siedlungen und den Neubau von Hochhäusern, die mehr Miete einbrachten. Siedlungsbewohner verloren ihre Wohnungen, in denen viele von ihrer Geburt an lebten, das vertraute Umfeld und jahrzehntelange Nachbarschaften wurden zerstört. Die Rheinpreussensiedlung kaufte der Bauspekulant Kun auf, der bis 1968 etwa 1200 Wohnungen abreißen ließ. An deren Stelle ließ er bis zu zwanzig Stockwerke hohe Häuser errichten….” (Zitat aus der EP “Rheinpreußen ruft Alarm”)

Genau an dieser Stelle beginnt meine Geschichte mit dieser alten Zechenkolonie in Duisburg-Homberg, die heute mein Zuhause ist. Ich wohnte noch in Krefeld-Gatherhof mit meiner Familie und erlebte hautnah, genau in so einer Hochhaus-Siedlung mit 80 kinderreichen Familien in einem Wohnblock, die Auswirkungen besonders auf Kinder und alte Leute.

Klar, das Zauberwort hieß “sozialer Wohnungsbau” und die Abrißbirne wurde uns als “Wohltätigkeits-Fallobst” verkauft, für die es sogar öffentliche Orden mit “Eichenlaub und Spitzhacke” an die Spekulanten gab. Da stieg meine Wut hoch und ich merkte: “Caramba, mir kocht der Blut”, was machen die da? Sofort entstand auch – aus diesem Gefühl heraus – mein Lied “Das Hochhaus”, weil ich sah: die Familien gehen kaputt, die Blagen verwahrlosen, die Alten sind dieser Wohnform und den 20 Etagen hilflos ausgeliefert, wenn der Aufzug außer Betrieb ist. Von außen wurde nur wahrgenommen: da wohnen die “Asis”. Und ich sah aber auch, dass die “Bären inne Kolonie” glücklicher und zufriedener und die “Blagen” und die Alten einfach “happy” waren mit ihren Hinterhöfen und Gärten. Da war Leben inne Bude. Ich schloß mich an als Liedermacher und schloß Freundschaften.

Der Kampf der Bürgerinitiative Rheinpreußen gegen den Abriß begann 1975. Sehr bald entstand in einem besetzten Haus in der Schlägelstr. “unser” erstes Kampflied, das “Rheinpreußen-Lied”, noch auf die Melodie: “Wir lagen vor Madagaskar”, damit alle mitsingen konnten. Das funktionierte – besonders schön zu erleben an unserem Song “Als die Mieter frech geworden”, immer wieder rotzefrech geschmettert im Wechselgesang von Chor und Vorsänger, ganz egal wo.

Der Kampf um den Erhalt der Siedlung dauerte ca. 10 Jahre mit immer stärkerem Druck durch Aktionen, Demonstrationen, Mahnwachen und Blockaden von Abrißbaggern und gipfelte 1978/79 mit den drei Hungerstreiks der Bewohner vor der BHF-Bank und dem Rathaus der Stadt Duisburg.

Endlich, bei dem letzten 18-tägigen Hungerstreik Febr.`79 vor dem Rathaus fiel die Entscheidung: Die Stadt Duisburg kaufte die restliche 411 Wohnungen auf! Das war zwar das Ende vom Abriß, aber der Kampf ging weiter: gegen die Privatisierung der Wohnungen und für eine Sanierung, die die in der Siedlung lebenden Bewohner verkraften konnten. . 1985 gründeten wir eine Genossenschaft. Das war für uns die beste Form der Selbstbestimmung unserer Wohnungen. Ab jetzt konnten wir die Geschicke in die eigenen Hände nehmen.
Kurz danach (1986) schrieb ich unser “Genossenschafts-Lied”.

Bald darauf hatte ich großes Glück. Mir wurde als “Genosse” eine 38qm-Giebelwohnung in der Dunkerstraße zugewiesen, die zu klein für eine Familie war. Und ich baute, wie in einem Schwangerschafts-Zyklus, fast 9 Monate mit allen Wehen und Übelkeits-Attacken frei nach dem Motto: “der Ingenieur is nich zu schwör” und sanierte komplett “Gas-Wasser-Scheiße-Elektro”, das ganze Haus und den Anbau (mit der ersten Fußboden-Heizung in der Kolonie) um und durch und zog endlich im Sommer 1987 in “mein Häusken” rein. 1989 wurde unsere erste Schallplatte “Als die Mieter frech geworden” , eine “Schlachtplatte” mit vier “Liedern aus der Rheinpreußensiedlung” und dem grünen Buch produziert. Jetzt mußte ich Kochen, Waschen und Putzen lernen. Singen konnte ich ja schon – laut und lästig.

Jetzt bin ich zuhause inne Kolonie.

Mehr in Biographie: