Auf der Schwarzen Liste

Wohl lacht und lockt der junge Mai
Es blüht und duftet um die Wette –
Ich taumle irren Sinns vorbei
Geschleift an meiner Armut Kette
Von allen Seiten grinst die Not
Bedrückt mich und bedrängt mein Leben
Umsonst hör‘ ich den Ruf nach Brot –
Ich kann den meinen keines geben!

Dem, der auf der Liste steht
Hilft kein Bitten, kein Gebet –
Mögen Weib und Kind verhungern
Er muss durch die Lande lungern
Ohne Arbeit, ohne Geld
Weil es so den Herrn gefällt

Die letzte Krume ist verzehrt
Der letzte Pfennig längst verschollen
Und kalt und öde Heim und Herd
Und Weib und Kind, die leben wollen
Umsonst bin ich von Schacht zu Schacht
Umhergeirrt in den Revieren –
Ich habe keinen Trost gebracht
Ich habe nichts mehr zu verlieren

Dem, der auf der Liste steht
Hilft kein Bitten, kein Gebet –
Mögen Weib und Kind verhungern
Er muss durch die Lande lungern
Ohne Arbeit, ohne Geld
Weil es so den Herrn gefällt!

Es droht und schimpft Demokratei
Es kocht und brodelt um die Ecke –
Was nützt uns Freiheit, die nicht frei
Wo man nichts mehr zu sagen hätte
Das Denken steht bald unter Straf
Was nicht genehm den Herren –
Nur der in Schulen lehren darf
Will er sich nie für nichts beschweren!

Dem, der auf der Liste steht
Hilft kein Bitten, kein Gebet –
Mögen Weib und Kind verhungern
Er muss durch die Lande lungern
Ohne Arbeit, ohne Geld
Weil es so den Herrn gefällt

Text: Heinrich Kämpchen (1889), 3. Strophe: Frank Baier (1978)
Musik: Frank Baier
Arbeiterlieder aus dem Ruhrgebiet (1981)