6. Nachgesang

Es ist in Bewegung geraten der Zug
Der nichts mehr hält
Der Sand unterm Haus
Tode auf Vorrat und Leben wie Spuk
Loten die Spielräume aus …

(Auszug, Text: Liselotte Rauner78, Musik: Frank Baier, unveröffentlicht)

Da, wo wir glauben, alles steht still und nichts geht mehr weiter, ist oft die meiste Bewegung drin. Und die Lieder unserer Region sind ein Teil dieses Lebens im Ruhrgebiet. Sie erzählen davon, was uns bewegt und nicht kalt läßt. Alles bewegt sich weiter. In den sechziger Jahren war Skiffle die Schubkarre für unsere Lieder auf der Straße bei den Ostermärschen gegen die Bombe. Heute transportieren die Sons of Gastarbeita ihre Texte gegen Fremdenhaß und Intoleranz, gegen die Unterdrückung Schwächerer und den täglichen Rassismus mit Rap. Als Mesut Çobançao Šglu und ich Mitte der achtziger Jahre mit dem Programm „Türkisch-deutsche Lieder“ weit über die Grenzen des Ruhrgebiets in der Republik tourten, war die Hoffnung ein wichtiger Motor für unsere – oft auch persönlich – schwierige interkulturelle Arbeit. Dabei haben sich zwei Lieder als die wichtigsten herausgestellt, als zwei Hoffnungs-Säulen: ein Text von Nazim Hikmet

„Laßt uns die Erde den Kindern übergeben, wenigstens für einen Tag …“79
und unser Lied: ““Die Hoffnung leben“80.
Heute kann ich dieses Lied, nach einer langen Atempause, wieder in seiner ursprünglichen Version singen. Auch da war Bewegung drin, manchmal fließen Flüsse sogar den Berg hinauf.

Die Hoffnung leben

Das ist wie ein neues Leben
Ein neuer Anfang
Wie ein neues Lied
Und Hoffnung dazu
Kannst gerade du mir geben
Ja, und du auch
Und dann wär’n wir schon zu dritt

Die Hoffnung hat sehr viel mit dir zu tun
Was wär die Hoffnung nur für mich allein
Grad’ mit dir möcht ich die Hoffnung leben
Als bereits jetzt schon lebend tot zu sein.

Das heißt für dich und mich, sich neu entscheiden
Und gerade dazu fehlt mir noch der Mut
Und meine Angst davor, verletzt zu werden
Vielleicht von dir, ich weiß wie weh das tut

Ich möchte lernen, die Hoffnung leben
Gerade jetzt, grad’ deshalb und trotz alledem
Und endlich tun, statt nur davon zu reden
Weil “Nichts tun” bereits tödlich ist Nicht nur bequem!

Grad aus den Fehlern, auch den dummen, muß ich lernen
Mit sich zufrieden sein, ist wirklich Selbstbetrug
Wir hab’n zwar Bücher, unsere Lieder, unsere Freunde
Trotzdem, wir waren bis jetzt
Einfach noch nicht klar genug

Die Hoffnung leben heißt
Wie Kinder ungehorsam werden
Und mutig, doch mit viel, viel Phantasie
Laßt uns jetzt endlich von den Kindern lernen
Sonst schaffen wir es nie!

(Text & Musik: Frank Baier, 1984)

Inhalt

  1. Leben Kämpfen Solidarisieren
  2. Unser Marsch ist eine gute Sache
    Von den Ostermärschen Mitte der 60er Jahre
  3. Die Waldeckfestivals 1964-69
    Wurzeln und Kinderstuben der Lieder in NRW
  4. Aufbruchstimmung 70er Jahre
  5. Musikszene im Pott - Lieder der 80er Jahre
  6. Kommt ausse Pötte - die 90er Jahre
  7. Nachgesang

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