Mit der Zeitmaschine durch mehr als
100 Jahre Arbeiterlied im Ruhrgebiet

1. Im Ruhrkohlengebiet (1904)

Eine Reise in acht Stationen: von Heinrich Kämpchen und den Streiks im Deutschen Kaiserreich über Grubenunglücke und Freikorpssoldaten in den 1920er Jahren und dem Faschismus, dem Wiederaufbau nach 1945, dem Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und gute und bezahlbare Wohnungen bis zu den Liedern der Arbeitsmigranten

1904. Im Ruhrkohlengebiet

Arbeitersiedlung 1875
aus dem Buch :
Arbeiterlieder a.d.Ruhrgebiet- S.Fischer

Wieder in einer Zechenkolonie.

Ein herzzerreißendes Gespräch zwischen Tochter und Vater, der mit finsterem Gesicht stumm in der Küche sitzt und brütet. Er ist gerade von der Zeche entlassen worden und weiß genau, was ihn erwartet! … und die Tochter fragt:

„Wie, die Grube feiert? Auf wie lang?“
„Hier ertönt so bald kein Fäustelschlag.
Geh das Dorf und geh das Land entlang …
Viele Tausend haben Feiertag.“

„Aber Vater, Deutschland braucht doch Kohlen!
Kohle ist’s, wovon die Arbeit lebt.“
„Was man braucht, wird man sich woanders holen!
Weil sich so die Dividende hebt!“

Genau das ist der Punkt. Die Zeche macht dicht, die Leute sitzen auf der Straße und die Aktionäre freuen sich, weil die Dividende steigt. Für den Bergmann und seine Familie kommt es aber noch härter. Das System war damals bereits konsequent. Wurde der Arbeiter von der Zeche entlassen – egal aus welchen Gründen, dann musste er gleichzeitig, oft noch am gleichen Tag, auch das Zechenhäuschen räumen:

„Vater, sprich, was werden wir denn tun?
Gibt es keine Rettung aus der Not?“
„Was uns bleibt? In acht Fuß Tiefe ruh’n,
oder wandern um ein Bettelbrot!“

„Unser Häuschen, unser Garten … sage!“
„Mädchen, des Verkäufers Hammer schwebt
über allem Glück vergangener Tage.
Weil sich so die Dividende hebt!“

„Gibt es keine Hilfe auf der Welt?“
„Das Gesetz gäb’ uns die Hilfe schon.
Dräng die Kunde, die zum Himmel gellt,
schnellen Schritts nur vor des Kaisers Thron.

Sich, ich bin zu alt, um auszuwandern …
Wollt ihr seh‘n, wie sich‘s im Elend lebt.
Legt mich vorher stille zu den andern.
Weil sich so die Dividende hebt!“

Text: H. Sieglerschmidt – Musik: Frank Baier

Dass Hilfe vom Kaiser kommen könnte, stützt sich auf ein Ereignis beim Streik 1889, als eine Delegation der Ruhrkumpel nach Berlin reiste. Sie wurden vorgelassen und gehört – vom Kaiser, jedoch auch unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt: „Wir werden alles wohlwollend prüfen. Geht nach Hause. Geht an Eure Arbeit!“ Da waren sie sich einig. Sowohl der Kaiser wie auch die Werksbesitzer forderten von den Bergleuten Gehorsam und Unterwerfung. Was war da geschehen? Das sehen wir uns doch mal an.

Kohlengräberland

Kohlengräberland

Kohlengräberland – Zeitmaschine: Lieder aus dem Ruhrgebiet 1889 – 1920 – 1967 – 2003

  1.  Intro: Die Zeitmaschine startet
  2. Im Ruhrkohlengebiet (1904)
  3. Auf der Schwarzen Liste (1889 - 1911)
  4. Der Kaiser hat in Sack gehaun (1919)
  5. Der Ruhrkumpel spricht
  6. Mein Vater war Bergmann
  7. Bruckhausen-Walzer (1978-79)
  8. Söhne der Gastarbeita
  9. Finale: März Rap 1920